Planetsoap Supertank

1983 startete Norbert Stück SO-OP aus einer Reihe von Performances, der Fischseifung und der Lilienwaschung.
Soap zeigte sich als künstlerisches Medium verschiedensten Prozessen gewachsen und ließ sich zu einem Indikator für zivilisatorische Aggregatswechsel erweitern.


Theater am Turm, Frankfurt/Main 1984

Künstlerhaus Bethanien Berlin/La Raffinerie du Plan K, Bruxelles

Der Lilienmilchkanal
Als der Futurist Hugo Ball 1916 im Züricher Cabaret Voltaire das Weltprojekt dada ausrief, hatte er mit soap gehandelt. Beim Versuch, die Sprache vom Schmutz der Konventionen zu befreien, fand er beim zufälligen Blättern in einem Lexikon le dada, das Steckenpferd. In der Nähe des Künstlerclubs lag das Schweizer Outlet der sächsischen Seifenmanufaktur Bruno Bergmann, welches seit Jahren Zeitungsanzeigen für „DADA-Kopfwasser“ schaltete. Die Produkte mit dem Steckenpferd-Signet waren bereits 1906 als „DADA“ patentiert worden. Und „Bergmann’s Lilienmilch-Seife“ strahlte über die volle Breite einer Hauswand im Zentrum der Stadt. *1
Schräg gegenüber von Balls Künstlerclub arbeitete bis zum Februar 1917 der Exilant Wladimir Illjitsch Lenin an der Revolution in Russland.*2


Für Rrose Sélavy,
alias Marcel Duchamp, war die beste Seife die, welche (übersetzt) „Abbitte“ leistet. Sie/Er verknüpfte die französische Wortkombination savon aux amandes (Mandelseife) mit dem gleichklingenden faire amende honorable zu:
„Le meilleur savon est le savon aux amendes honorables“.*3



Louvre Paris – Puschkin Museum Moskau – Guggenheim N.Y.

1988 entnahm der Objektkünstler dem Abfall Manhattans einen riesigen Waschmittelkarton mit dem Bild von einem hammer- schwingenden Arm in rotem Kreisring. Auf dem Weg zur City Bank, in deren Safe er Seifenbarren deponieren wollte. Das wie eine Handlungsanweisung wirkende Markenzeichen lieferte ihm die Methode zum Prägen von soapcakes im urbanen Raum. Zufall fügt Zusammenhang. Stück beschaffte sich einen roten Holzhammer und beschlug sein in den Supermärkten erhältliches Leitmedium an ausgewählten landmarks für zivilisatorische Wechselzustände.


je 12 x 7 x 4 cm. Studio Exhibition P.S.1, Long Island City
The Placement of Soap



MoMA, New York City, 23.06.1988 11:02

I like to be on the internet…you can see where the supertankers are. Laurie Anderson
Bruno Bergmanns Unternehmen bei Dresden überlebte zwei Weltkriege und wurde, 1950 enteignet, als VEB Steckenpferd zum bedeutendsten Seifenkombinat der DDR. Staatsgeleitet beschloss die Belegschaft eine enorme Übererfüllung des Exportplans, um mit dem Erlös gebrauchte Frachter für den Aufbau der sozialistischen Handelsflotte zu beschaffen. Die „MS Steckenpferd“ wurde das Flaggschiff einer devisenfördernden Massenbewegung. *4

Planetsoap®Supertank Navi
nimmt Kurs auf Übersee. In New York gründete der amerikanische Petroleum-Millionär Armand Hammer 1986 ein joint venture mit Church & Dwight. Besonderen Spaß bereitete ihm die Übernahme des wie sein eigener Name klingenden Labels Arm and Hammer. Der Vater war in der Sozialistischen Partei und hatte ihn nach dem populären Wahrzeichen der Arbeit benannt, welches sich seit 1867 auch auf den Verpackungen der eroberten Marke befand. Armand überarbeitete das Icon und malte es auf den Bug seiner Motoryacht. Seit den Zwanziger Jahren verstand es der zum Waschmittelkönig der USA aufsteigende Tycoon, gewinnbringende Beziehungen auch in politischen Kreisen aufzubauen. Als persönlicher Freund von Lenin verschiffte er früh mobile Lazarette, Traktoren und komplette Bleistiftfabriken für den Aufbau der Sowjetunion nach Russland, im Tausch gegen wertvolle Ikonen und Fabergé-Schmuckeier aus dem Schatz der Zaren. Ein Teil des Eremitage-Raubguts aus der Revolution gelangte über Armand von Moskau aus zum Verkauf in die Hammer Galleries nach New York. 1990 öffnete das Hammer Kunstmuseum in Los Angeles.*5



1990 streikten die Bergarbeiter in der Sowjetunion wegen Engpässen in der Seifenversorgung.*6 Nach Abzug der sowjetischen Soldaten aus der sich auflösenden DDR brachen Bilderstürmer die Spitzen von den Rotstern-Monumenten. Die Nachwende-Ansichtskarten vom Cecilienhof Potsdam zeigten das bis dahin rot bepflanzte Sternbeet in Gelb. Norbert Stück prägte seine Indikatoren auf den Schrottplätzen der Roten Armee am Rande Berlins, wobei er von einem Offizier an dessen Geländewagen festgesetzt wurde. Nach Abgabe von Seifenpäckchen durfte er gehen (Elstal bei Nauen, 20.06.1991).




Allegorie der Moderne, Contemporary Art Center, GR-Larissa 1999
Die Welt ist ihr Abfluss
Die manholecover in New York City tragen -wie die StarCenter von Texaco- einen fünfzackigen Stern, der denen auf den Kanaldeckeln zur Unterwelt im Hof der 1989 gestürmten Stasi-Zentrale in Ost-Berlin ähnelt wie jenen mit VEB-Kanal gekennzeichneten Siegel am Checkpoint Charlie, denen im Cecilienhof Potsdam, und jenen im Hafen von Hong Kong 2000.


Galerie Großkinsky Brümmer, Karlsruhe 1996




Projekt Kernseife Mai 1984. DANK an die Kollektor*innen
James Anderson: The Solomon Guggenheim Museum, New York 17.04.84, 13:00-13:45; National Gallery of Art, Washington 11.4.84, 15:55; High Museum of Art, Atlanta, Georgia 5.4.84, 15:20-15:44; Dr. Martin Luther King Entombment, Atlanta, Georgia 9.4.84, 14:55-15:10; Martin Assig: Kunstverein Hannover/Sammlung Sprengel 28.12.83; Frank Barth: Palais des Beaux Arts, Brüssel 17.4.84;Tina Bauermeister: Staatliches Puschkin Museum, Moskau Mai 84; Lidio Berro: Museum für Volkskunde, Gent 9.4.84, 13:30; Klaus Düwal: Museum für das Fürstentum Lüneburg, Lüneburg 2.2.84, 13:50; Gabi Eibner: Louvre, Paris 23.3.84; Klaus Göhling: Kunsthalle Düsseldorf, 9.3.84; Hans Jordan: Rembrandt Huis, Amsterdam 25.4.84; Karen Baier: Thorwaldsen Museum, Kopenhagen 12.6.84, 14:00; Gerd Kauschke: Gallery Watatu, Nairobi 17.3.84; Antje Klein: Trans- sibirische Eisenbahn Moskau-Peking, o.Dat. 84; Sabine und Renate König: Peggy Guggenheim Museum, Venedig 7.5.84; Markus Kohn: Musée d’Art, Grenoble April 84; Josie Kraft: Museum of Art, Philadelphia 29.1.84, 11:50; Michèle Langbour: Nationalgalerie, Berlin-Ost, 17.5.84; Dorit Learned: Art Gallery of Greater Victoria, Canada, Sept. 84; Guy Martin: Corcoran Museum, Washington 23.3.84, 19:00-22:30; Margret Loesdau: Kunstverein Hamburg, 20.4.84; Brigitte Handl: Palais Liechtenstein, Wien 27.6.84; Prof. Dr. Jörn Merkert: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 19.4.84, 11:56; Dr. Gert Reising: Staatliche Kunsthalle, Karlsruhe 84; Bärbel Rothaar: Whitney Museum of Art, New York 31.1.84; Metropolitan Museum of Art, New York 31.1.84; Guggenheim Museum, New York 31.1.84; Bonnie Showers: Tate Gallery, London 4.7.84; Mechtild Schmidt: Whitney Museum of Art, New York 4.2.84; Norbert Stück: Nationalgalerie, Berlin-West Mai 84; Kunsthalle zu Kiel, 27.12.83; Moderna Museet, Stockholm 4.12.83; Berlinische Galerie, Jebenstraße, Berlin-West 27.1.84; Kunsthalle Hamburg 6.4.84; Kunsthalle Bremen, 04.84.
Anmerkungen
*1 Raimund Meyer „Dada ist gross Dada ist schön“
in: „Dada in Zürich“, hrsg. v. Hans Bollinger,
Guido Magnaguagno, Raimund Meyer;
Kunsthaus Zürich 1985.
Hanno Ehrlicher „Die Kunst der Zerstörung.
Gewaltphantasien und Manifestationspraktiken
europäischer Avantgarden; S. 191 ff.; Akademie
Verlag, Berlin 2001
Zur Prädada-Werbekunstbewegung der Gruppe um
RRH Jägersdorf s. „Die Beerdigung des Quadrats“;
Scharteke VIII, Buchlabor Edition Raute, 2016
Gerd-Klaus Kaltenbrunner:
„Anarchie und Gnade. Ein Hinweis auf
Hugo Ball“. In: Schweizer Monatshefte, Bd. 50,
Heft 6, 1970 (ETH Zürich)
*2 Cabaret Voltaire, Spiegelgasse 1. Lenin in der
Spiegelgasse 12; s. Hans Richter:“ DADA -Kunst
und Antikunst“, DuMont Dokumente, Köln 1978
*3 Rrose Sélavy: frz. gesprochen: Eros c´est la vie,
Marcel Duchamp: Notes. 1912-1968, in:
“The writings of Marcel Duchamp”, hrsg. v. Michel
Sanoillet/Elmer Peterson; Da Capo, New York 1989
*4 Steckenpferd-Bewegung:
www.ddr-duftmuseum-1949-1989.de
*5 Armand Hammer: „Hammer“; Autobiographie unter
Mitarbeit von Neil Lyndon; G.P. Putnam’s Sons, New
York 1987, p. 50
Edward Jay Epstein: „Dossier. The Secret History of
Armand Hammer”; Caroll & Graf Publishers, NY 1996.
Robert C. Williams: “Russian Art and American
Money 1900-1940”, darin “Selling the Romanov Treasure.
Dr. Armand Hammer”, Harvard University Press, 1980.
Logo-History: www.ahperformance.com/about/history/
Das Hammer Museum in Los Angeles „believes in the
promise of art and ideas to illuminate our lives and build
a more just world.“ (hammer.ucla.edu) *6 Der Spiegel, 9/1990
